
Diese Seite richtet sich an medizinische Fachleute wie Ärzte oder
Fachpersonal in Senioreneinrichtungen, aber auch an Ernährungsberater.
Die Alaktasie (Laktose-Intoleranz) ist zwar als Ursache von
Verdauungsstörungen inzwischen den meisten Ärzten bekannt, jedoch
leider immer noch nicht ausreichend als mögliche Ursache diverser Beschwerden
im Bewusstsein verankert. So wird die Diagnose
»Laktose-Intoleranz« häufig
erst viel zu spät gestellt. Die meisten Alaktasie-Betroffenen klagen
über eine manchmal jahrzehntelange Odyssee, weil Flatulenz, persistierende
Diarrhoe und andere Beschwerden nicht mit einer Milchzucker-Unverträglichkeit
in Verbindung gebracht werden.
Das Fachpersonal von Senioreneinrichtungen wie Alten- und Pflegeheimen
ist leider meist über diese Zusammenhänge viel zu wenig informiert, und
die dort angebotenen Mahlzeiten enthalten viel Milch oder Milchprodukte oder
sind aus milchzuckerhaltigen Convienence-Produkten hergestellt. Dies führt
bei den Bewohnern regelmäßig zu abdominellen Beschwerden, die nicht
mit der Laktosezufuhr in Zusammenhang gebracht werden, wobei die
Differenzialdiagnose bei Senioren zu vermehrt auftretenden
Motilitätsstörungen des Darmes nicht ohne weiteres möglich ist.
Auch die weit verbreitete Praxis der pharmazeutischen Industrie, bei der
Herstellung von Medikamenten Laktose zu verwenden, kann zur Verschlimmerung
der Symptomatik führen, was bei der Pharmakotherapie alter Menschen
beachtet werden sollte.
Ernährungsberater, die wegen der geschilderten Beschwerden aufgesucht
werden, raten häufig zu einer Ernährungsumstellung gemäß
den Grundätzen vollwertiger Ernährung, was prinzipiell bei
Verdauungsproblemen hilfreich sein kann, jedoch wird auch in diesen
Fällen meist aus Unkenntnis der Zusammenhang persistierender Symptome
mit der auch bei Vollwertkost stattfindenen Milchzuckerzufuhr verkannt.
Aus diesem Grunde erscheint es wünschenswert, dass sich Fachleute mehr
über die Laktose-Intoleranz informieren, denn zum einen sind die aus den
Symptomen resultierenden Beeinträchtigungen für die Betroffenen
sehr belastend und zum anderen ist die »Behandlung« sehr einfach.
Das Wort »Behandlung« steht hier ganz bewusst in Anführungszeichen,
denn eine Milchzucker-Unverträglichkeit ist keine Krankheit. Etwa 90% der
Weltbevölkerung sind laktoseintolerant, weil grundsätzlich nach dem
Ende der Stillzeit der Verzehr von Milch entbehrlich ist und damit die
Produktion der Laktase nicht mehr zwingend erforderlich ist. Die Natur sieht
keinen Verzehr von Milch mehr vor, und die dann unwirtschaftliche Produktion
des Laktase-Enzyms zur Spaltung des Disaccharides Laktose in die verwertbaren
Monosaccharide Glukose und Galaktose wird eingestellt. Nur in den nördlichen,
sonnenärmeren Regionen der Erde stellt die bis ins höhere Lebensalter
persistierende Fähigkeit zur Laktaseproduktion einen Selektionsvorteil dar,
da durch die Vitamin D-Zufuhr aus Milch und Milchprodukten die Erkrankungsrate
an Rachitis vermindert wird. Dies ist der Grund, warum in den lichtärmeren,
nördlichen Regionen weniger laktoseintolerante Menschen leben als in
südlicheren, wo die Mehrzahl der Bewohner keine Milch vertragen.
Im fortschreitenden Alter, etwa ab dem siebten Dezenium, verringert sich jedoch
auch bei den meisten zuvor laktosetoleranten Menschen die Laktaseproduktion,
was bei vielen Senioren zu Beschwerden führt.
Bei uns gibt es wegen der genetischen Veränderung etwa 15-20%
laktoseintolerante jüngere Menschen und wegen der im Alter
naturgemäß nachlassenden Laktoseproduktion in deutlich höherem
Prozentsatz ältere Menschen, was dazu führt,
eine Laktose-Intoleranz als krankhaft anzusehen. Sie wird, wenn sie denn
diagnostiziert wird, oftmals als Enzym-Defekt bezeichnet, was ein weit
verbreiteter Irrtum ist. Die Betroffenen werden dadurch pathologisiert und
ihr manchmal aufgrund einer oft verspäteten Diagnosestellung und der
Vermutung einer psychogenen Genese der Symptome möglicherweise
lädiertes Selbstbewusstsein untergraben.
Die »Behandlung« der Alaktasie beinhaltet hauptsächlich die
Vermeidung der Milchzuckerzufuhr, was nur durch eine ausreichende Information
der Berater und der Betroffenen möglich ist, denn Laktose verbirgt sich
nicht nur in Milch und Milchprodukten. Die Nahrungsmittelindustrie schätzt
die Wasser bindenden Eigenschaften der Laktose und hat sie darüber hinaus
als Füllstoff erkannt, mit dem sich Nahrungsmittel mit geringem
Finanzaufwand strecken lassen – aus Sicht der Hersteller gute Gründe
für den Zusatz von Laktose.
Es ist möglich, den Enzymmangel mithilfe künstlich erzeugter Laktase
zu substituieren und Tabletten, Kautabletten, Kapseln oder auch Pulver zu
laktosehaltigen Mahlzeiten einzunehmen. Es leuchtet jedoch ein, dass die
künstlichen Präparate nicht so intensiv wirken können, wie
das in den Schleimhautzellen des Dünndarmes gleichmäßig
verteilte, natürliche Enzym. Außerdem enthalten diese Mittel
oftmals unverträgliche Zusatzstoffe, so dass auch längere
Versuchsphasen mit unterschiedlichen Präparaten oftmals nicht den
erhofften Erfolg bringen.
Darüber hinaus wird eine Alaktasie auch nicht selten von einem
Reizdarm-Syndrom begleitet, das ohnehin eine Nahrungsumstellung und vor allem
auch eine Änderung bestimmter Lebensgewohnheiten erfordert, um die
dadurch hervorgerufenen Beschwerden zu bessern. Auch dieser Zusammenhang wird
leider oft verkannt und nicht richtig diagnostiziert. Zu schnell wird eine
psychische Ursache vermutet, die manchmal sogar mit Psychopharmaka behandelt
wird. Hier würde eher die Erhebung der so genannten ROM-II-Kriterien
zur korrekten Ursachenfindung und angebrachten Therapie verhelfen.
Die Diagnose der Laktose-Intoleranz erfolgt am einfachsten entweder mithilfe
des H
2-Atemtests oder mit einem Bluttest. Beim Atemtest wird nach
Ermittlung eines Referenzwertes eine definierte Menge Laktoselösung
getrunken und dann mehrfach in regelmäßigen Abständen der
Anstieg der Wasserstoffkonzentration im Atem gemessen, da die Laktose
verwertenden Dickdarmbakterien den Milchzucker teilweise zu Wasserstoff
verstoffwechseln, der über den Atem abgegeben wird. Zusätzlich
werden die bei Vorliegen einer Alaktasie auftretenden Beschwerden
(Tenesmen, Flatulenz, Diarrhoe) ausgewertet.
Beim Bluttest wird nach Abnahme des Referenzwertes und Verzehr der Laktose
in festgelegten Abständen der Anstieg des Blutzuckers gemessen. Bleibt
ein signifikanter Anstieg aus (weniger als 20mg/dl Blut), so ist dies der
Beweis, dass keine Aufspaltung der Laktose in Galaktose und Glukose stattfindet,
die den Blutzuckerspiegel steigen lässt. Beide Diagnose-Methoden,
besonders aber der Bluttest, sind einfach und schnell durchzuführen und
erzielen ein sicheres Ergebnis.
Aus allen diesen Gründen empfehle ich Fachleuten – vor allem praktischen
Ärzten – sich über die Laktose-Intoleranz zu informieren.
Das Fachpersonal in Alteneinrichtungen sollte sehr genau beobachten, ob
häufige Durchfälle oder Blähungen nicht mit der Milchzuckerzufuhr
in Verbindung gebracht werden können, und ob durch die Eliminierung der
Laktose aus Mahlzeiten und Medikamenten eine Besserung eintritt.
DAS LAKTOSE-INTOLERANZ BUCH bietet Ihnen als Experten ausführliche
Informationen und ist daher für Ärzte, Pflegende und
Ernährungsberater eine Hilfe in der Patientenbegleitung. Es informiert
den Leser über alle Fakten zur Entstehung und die Lebensführung bei
Laktose-Intoleranz. Darüber hinaus werden Hinweise zur praktischen
Umsetzung in den Alltag der Betroffenen geboten.
Daher ist dieses Buch als Basisliteratur sowohl für die ärztliche
Praxis, die Beratungstätigkeit von Ökotrophologen und nicht zuletzt
zur Ausbildung in Pflegeberufen (Alten- und Krankenpflege) geeignet. Da es
weitgehend frei von Fachausdrücken ist, wird es auch und vor allem
für jeden Betroffenen selbst eine große Hilfe sein.
DAS LAKTOSE-INTOLERANZ BUCH wurde u.a. im Deutschen Ärzteblatt Jg. 105/Heft 26/27. Juni 2008, A1451
unter »Bücher Neueingänge: Medizin/Naturwissenschaft« vorgestellt (
Deutsches Ärzteblatt).
nach oben