Letzte Aktualisierung: 14.4.2018

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Klaus Oberbeil:
Die Milchfalle


Meine persönliche Bewertung:


Achtung: gefährliches Halbwissen!


Allein der Untertitel »Warum wir auf Milcheiweiß und Milchzucker allergisch reagieren … « zeigt dem informierten Leser schon, dass er bei der Lektüre dieses Buches aufpassen muss!

Der Verfasser, der sich selbst als » Medizinjournalist und Ernährungsexperte« bezeichnet, schlägt in diesem Buch einen abenteuerlichen Bogen – oder sollte ich besser Zickzack sagen? – zwischen einer Milchzucker-Unverträglichkeit und einer Milcheiweiß-Allergie. Dabei gerät ihm nicht nur ab und an etwas durcheinander, nein, er hat bei der wichtigen Unterscheidung der beiden Phänomene seine Hausarbeiten überhaupt nicht gemacht.

Am Anfang unterscheidet er noch fast korrekt zwischen Unverträglichkeit und Allergie, in der Mitte wirft er beides in einen Topf, beschreibt aber nur die Unverträglichkeit auf Milchzucker, und am Ende kommt er auf die Allergie zurück, gibt dabei aber lebensgefährliche Ratschläge.

Obwohl der Verfasser in Bezug auf gesunde Vollwerternährung und ihre Auswirkungen auf Darmschleimhaut und -flora eigentlich gar nicht so falsch liegt (er hätte vielleicht besser ein Buch über dieses Thema geschrieben), lassen mir seine Empfehlungen bei Milchzucker-Unverträglichkeit die Haare zu Berge stehen: »Essen Sie nach 14 Tagen täglich 250g Joghurt, später können Sie auf 500g steigern« (weiter unten im Buch sind es dann nur noch 2 Tage Karenz – noch nicht einmal bei seiner Hauptbotschaft sind die Ratschläge des Verfassers durchgängig einheitlich) .

Basiert dieser Vorschlag darauf, dass Herr Oberbeil vielleicht noch nichts vom Unterschied zwischen primärer und sekundärer Laktose-Intoleranz gehört hat (die Begriffs-Definitionen werden jedenfalls mit keinem Wort erwähnt)? Er versteigt sich auch in die Behauptung, dass Autoimmunerkrankungen wie z.B. der Morbus Crohn oder Zöliakie aus einer falschen Ernährung bei Laktose-Intoleranz resultieren könnten – warum er dann den Verzehr solch großer Mengen Joghurt empfiehlt, kann ich nicht nachvollziehen – oder, ach ja, er meint ja, dass Laktose-Intoleranz und Milcheiweiß-Allergie mit dieser Therapie geheilt werden können (»Folgen Sie den Ratschlägen in diesem Buch – und Sie werden wahrscheinlich bald wieder an Milchprodukten viel Freude haben.«

Bei der Milchzucker-Unverträglichkeit könnte ich über solchen Unsinn noch hinwegsehen: Es kann ja in bestimmten Fällen tatsächlich möglich sein, mit einem moderaten (!), der eigenen Toleranzschwelle angepassten (!), vorsichtigen (!) Verzehr kleinerer (!) Laktosemengen die Restproduktion von körpereigener Laktase ein wenig länger zu erhalten, generell kann man dies aber erstens nicht so über einen Kamm scheren, es zweitens nicht mit solch großen Mengen Joghurt bereits am ersten Therapietag erreichen, und drittens ist es generell nicht möglich, einmal verloren gegangene Funktionen wieder zum Leben zu erwecken – auch nicht mit dem Aufpeppen der Darmflora und der Regeneration der Darmschleimhaut.

Ganz katastrophal wird es aber, weil er seinen 0-8-15-Ratschlag auch auf die »Heilung« der Milch-Allergie überträgt. Mal abgesehen davon, dass er mit den Erkrankungsraten von Erwachsenen völlig falsch liegt (eine Milcheiweiß-Allergie haben meistens Kinder, Erwachsene sind davon eher selten betroffen), kann die Empfehlung, nach der für die Unverträglichkeit sinnvollen Regeneration von Darmschleimhaut und -flora »auszutesten, ob 250g Joghurt verträglich sind« lebensgefährlich sein! Selbstversuche in Bezug auf die Bekömmlichkeit eines Allergen sollten zumindest mit einer großen, roten Warnung vor einem anaphylaktischen Schock versehen sein – so etwas macht man nicht zu Hause in Heimarbeit und schon gar nicht mit solchen Allergen-Mengen!

Bei all diesen aufgezählten Punkten kaum noch ins Gewicht fallend, aber doch erwähnenswert kommt noch hinzu, dass der Verfasser häufig Fachausdrücke nicht richtig gebraucht (was, bitte, ist ein Enterogastrologe) und er auch die Wirkungsweise von Laktase-Präparaten nicht wirklich richtig zu kennen scheint (» … dass flüssiger Milchzucker (???) […] den Dünndarm rasch passiert, möglicherweise eine ganze Stunde, bevor die Laktasemoleküle n Pillenform dort eintreffen«). Und auch die Laktose-Gehalte von Milchprodukten scheinen ihm nicht geläufig zu sein: Seine ständigen Wiederholungen, man könne u.a. Käse bald wieder problemlos genießen (er gibt an einer Stelle den Laktose-Gehalt von Hartkäse mit 3,0 – 3,7% an), sind für mich keine Überraschung, denn der enthält in Wirklichkeit so gut wie keine Laktose, und ich kann ihn auch ohne sein Programm bereits ohne Probleme essen.

Man könnte noch sehr viel mehr an Ungereimtheiten und sogar eklatanten Fehlern aufzählen, ich meine jedoch, auch diese wenigen Punkte zeigen schon, dass es sich keinesfalls empfiehlt, den Ratschlägen aus diesem Buch zu folgen. Für jemanden, der ohnehin schon Bescheid weiß, sind die Empfehlungen von Klaus Oberbeil bestenfalls lachhaft. Für alle diejenigen jedoch, die wirklich Rat benötigen und noch nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden können, hält die Lektüre nur gefährliches Halbwissen bereit.

Mein Fazit: Finger weg!

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