Letzte Aktualisierung: 2.12.2022

Schilddrüsenfunktionsstörungen

als Ursache von Verdauungsbeschwerden
Verdauungsbeschwerden können neben Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten und/oder -Allergien viele weitere Ursachen haben – und nicht immer ist es einfach, diesen auf die Spur zu kommen. Wenn die Tests auf unverträgliche Lebensmittel zu keinem oder zu keinem befriedigenden Erfolg führen, sollten Sie auch an Ihre Schilddrüse denken, denn eine mangelhafte Schilddrüsenfunktion kann Verdauungsprobleme wie Verstopfung, Durchfälle oder Bauchschmerzen (mit-)verursachen.

Physiologie

Die Schilddrüse (Glandula thyreoidea) ist ein kleines Organ, das in einem komplizierten und feinfühligen Zusammenspiel mit vielen anderen Drüsen im Körper die Hormonproduktion und damit die Körperfunktionen steuert. Sie ist mit ihren zwei »Lappen« geformt wie ein Schmetterling und liegt im Hals vor der Luftröhre in Höhe des Kehlkopfes (»Adamsapfel«). Die Größe einer gesunden Schilddrüse eines Erwachsenen liegt (je nach Alter und Geschlecht) etwa zwischen der einer Walnuss bis maximal der Größe einer kleinen Mandarine (Frauen: 13-18ml, Männer 15-25ml).
 
Funktionen der Schilddrüse

Drei verschiedene Hormone werden in der Schilddrüse gebildet: Thyroxin (T4), Trijodthyronin (T3) und Calcitonin. Das Calcitonin fördert den Einbau von Kalzium und Phosphat in die Knochen und hemmt dem Knochenabbau, indem es die knochenabbauenden Osteoklasten beeinflusst.

T4 und T3 sind für das Wachstum zuständig und deshalb bereits im Säuglings-, Kinder- und Jugendalter besonders wichtig. Aber auch für Erwachsene sind diese Hormone bedeutsam, denn sie steuern zusätzlich u.a. den Energiestoffwechsel im Körper, regulieren Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur.

Und ganz wichtig zu wissen: Die Schilddrüsenhormone beeinflussen die Reizleitung der Nerven (nicht nur) des Magen-Darmtrakts und regulieren so auch die Motorik des Darms (Darmperistaltik). Dadurch können sie (mit-)verantwortlich sein für Verstopfung (bei Unterversorgung) oder Durchfälle (bei Überversorgung), darüber hinaus können als Folge Bauchschmerzen und viele weitere Symptome auftreten.

Die Schilddrüse ist ein sehr wichtiges Organ: Aufgrund ihrer vielfältigen Funktionen kann man sie als »Steuerungszentrale« betrachten, denn fast alle hormonellen Körperfunktionen werden letztendlich durch die Schilddrüse gesteuert und kontrolliert. Zwar muss sich die Schilddrüse noch mit der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) »abstimmen«, letztendlich ist es aber die Schilddrüse, die die meisten Hormondrüsen im Körper steuert. So ist beispielsweise auch der weibliche Hormonzyklus mit von einer korrekten Schilddrüsenfunktion abhängig, denn die Eierstöcke, in denen die weiblichen Hormone gebildet werden, werden von der Schilddrüse geregelt. Auch der Schlaf-Wach-Rhythmus, der durch das in der Zirbeldrüse gebildete Hormon Melatonin gesteuert wird, wird ebenfalls von den Schilddrüsenhormonen überwacht. Eine Schilddrüsenunterfunktion kann sich deshalb auch durch verstärkte Müdigkeit bemerkbar machen, eine Überfunktion hingegen durch Schlafprobleme oder Nervosität.
 
Bildung von Schilddrüsenhormonen

Zur Bildung der Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin ist der Mineralstoff Jod erforderlich. Da der Organismus dieses Spurenelement nicht selbst bilden kann, muss es mit der Nahrung aufgenommen werden. Insbesondere bei erhöhtem Bedarf wie beispielsweise einer Schwangerschaft und der Stillzeit aber auch bei intensiver sportlicher Betätigung muss aufmerksam auf eine ausreichende Jodversorgung geachtet werden, damit für das wachsende Kind und die Mutter, für den Sportler und für jeden Menschen ausreichend Schilddrüsenhormone zur Verfügung stehen.
 
Schilddrüsenerkrankungen

Bei einer Unterfunktion der Schilddrüse, bei der nicht genügend Hormone gebildet werden, wächst die Schilddrüse, um mit mehr Drüsengewebe mehr Hormon bilden und so den Bedarf decken zu können. Der Halsumfang wird nach und nach dicker, in Extremfällen kann man dies an dem so genannten »Kropf« (Struma) erkennen. Durch die mangelnde Versorgung mit Schilddrüsenhormonen werden alle Körperfunktionen langsamer – auch der Darm wird träge, und in der Folge können Verstopfung und dadurch eventuell verursachte Bauchschmerzen auftreten.

Bei einer Überfunktion wird zuviel Hormon gebildet, und alle diejenigen Körperfunktionen, die durch die Schilddrüsenhormone gesteuert werden, laufen schneller ab – z.B. eine gesteigerte Herzfrequenz oder auch eine gestörte Verdauung mit Durchfällen und/oder Bauchschmerzen können durch die gesteigerte Darmperistaltik die Folgen sein.

Neben der Über- und Unterfunktion gibt es viele weitere Erkrankungen der Schilddrüse, beispielsweise eine Entzündung (Thyreoiditis). Verbreitet sind Entzündungen mit autoimmunen Komponenten, bei denen der Körper das Schilddrüsengewebe als »fremd« einstuft und bekämpft. Hierbei kann es zur Überfunktion (Morbus Basedow) oder auch zu einer Unterfunktion (Hashimoto Thyreoiditis) kommen. Bitte lesen Sie hierzu auch die Antwort auf die Frage Ich leide an einer Hashimoto-Thyreoiditis. Ich habe gelesen, dass diese Krankheit häufiger mit einer Laktose-Intoleranz einhergeht. Ist das richtig?

Weiterhin sind die gutartigen, so genannten kalten oder heißen Knoten sehr verbreitet. Ein kalter Knoten ist ein Areal in der Schilddrüse, das keine Hormone produziert – egal, wie viele Anstöße der Bereich von der Hypophyse bekommt. Ein heißer Knoten produziert im Gegenteil ständig Hormone, selbst wenn die Hypophyse signalisiert, es sei genug. Heiße Knoten sind eher unproblematisch, müssen nur beobachtet werden, damit insgesamt keine Überproduktion von Schilddrüsenhormonen entsteht. Kalte Konten müssen nicht, können aber entarten und bösartig werden, somit müssen auch sie in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden.
 
Diagnostik von Schilddrüsenfunktionsstörungen

Zur Diagnostik reicht für den Anfang das Abtasten durch den Arzt und eine Blutprobe, bei der im Labor die Schilddrüsenwerte bestimmt werden. Ggf. kann zusätzlich eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden, um die Größe und Beschaffenheit der Schilddrüse zu ermitteln.

Bei Bedarf kann Sie der Hausarzt auch zu einem auf Schilddrüsenerkrankungen spezialisierten Nuklearmediziner (Radiologen) überweisen, der ein Szintigramm erstellt. Hierbei wird nach der Verabreichung harmloser radioaktiver Bestandteile, die sich in der Schilddrüse ansammeln, die Größe und Funktionsfähigkeit der beiden Schilddrüsenlappen optisch dargestellt und bewertet.

Wenn Sie jetzt Vorbehalte wegen der Radioaktivität haben, kann ich dies gut verstehen. Es ist richtig, dass gerade das Schilddrüsengewebe ganz empfindlich auf radioaktive Strahlung reagiert – nach Tschernobyl häuften sich dort die Krebserkrankungsfälle. Trotzdem möchte ich zu bedenken geben, dass zumindest für mich die Risiko-/Nutzenabwägung ergibt, dass eine gründliche Diagnostik und die daraus resultierende Behandlung vorteilhaft sind. Die radioaktiven Stoffe haben eine extrem kurze Halbwertszeit, so dass sie nach wenigen Stunden vollständig abgebaut sind. Nach Aussage der Nuklearmediziner besteht für diese kurze Zeit der wirklich minimalen und überhaupt nicht mit der Strahlungsintensität von Tschernobyl vergleichbaren Strahlung für das Gewebe keine Gefahr. Eine eventuelle Entscheidung pro oder contra Szintigramm muss jedoch jeder für sich selbst treffen.
 
Behandlung

Schilddrüsenfunktionsstörungen sind relativ häufig und können mit Medikamenten gut behandelt werden. Meist wird hier das Hormon L-Thyroxin verschrieben, das die Schilddrüse in ihrer Arbeit unterstützt und entlastet. Medikamente mit Thyroxin müssen immer eingeschlichen werden, damit sich der »entwöhnte« Organismus langsam wieder mit den richtigen Mengen auseinandersetzen kann. Auch wenn die Ärzte dies wissen, können die Ratschläge für darmempfindliche Patienten manchmal nicht ausreichend sein. Haben Sie den Mut, Ihren Arzt zu bitten, die Dosierungen anfangs weitestgehend zu minimieren und die Dosis wirklich nur sehr langsam zu steigern. Die kleinste Steigerungsrate ist mit Tropfen zu erreichen, die es (eigentlich für Kinder) gibt: ein Tropfen enthält hier 5 µg L-Thyroxin. Nicht viele Ärzte wissen, dass es L-Thyroxin auch in Tropfenform gibt – fragen Sie ggf. gezielt danach.

Weiterhin müssen Sie natürlich – wie bei allen Medikamenten – darauf achten, dass keine unverträglichen Zusatzstoffe wie beispielsweise Laktose enthalten sind. Bitten Sie Ihren Arzt nach der Auswahl eines geeigneten Präparates um das »aut idem«-Kreuzchen auf dem Rezept, damit Sie in der Apotheke kein billigeres Ersatz-Präparat bekommen, das eventuell dann doch unverträgliche Zusatzstoffe enthält.

Nach einer behutsamen Gewöhnung an die erforderliche Thyroxindosis erzeugt dieses Medikament keine Nebenwirkungen.

Noch ein Hinweis für Menschen, die gerne Sojaprodukte verzehren: Zwischen der Einnahme von L-Thyroxin-Präparaten und dem Verzehr von Soja ist eine Zeitspanne von mindestens 2 Stunden einzuhalten, da Soja Thyroxin in seiner Wirkung beeinträchtigt. Bitte lesen Sie hierzu auch die Antwort auf die Frage »Sie empfehlen, die Milch durch Sojaprodukte zu ersetzen. Ich habe gehört, dass Soja die Kropfbildung der Schilddrüse begünstigt. Stimmt das?«
 
Künstlich zugeführtes Jod

Häufig wird bei leichten Unterfunktionen Jod in Tablettenform verschrieben, weil davon ausgegangen wird, dass dieses Spurenelement, das zur Bildung der Schilddrüsenhormone erforderlich ist, und u.U. nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Die künstliche Zufuhr von Jod als Medikament oder auch in jodiertem Speisesalz ist nicht ganz unumstritten – besser ist es aus meiner Sicht, Jod ausschließlich mit einer gesunden Ernährung aufzunehmen.

Besonders wichtig ist auch der Hinweis, dass bei Schilddrüsenentzündungen – auch den autoimmunen Formen – kein Jod in Tablettenform oder als jodiertes Speisesalz gegeben werden darf, denn Jod kann die Entzündungen fördern.
 
Jod in der Ernährung

Mit ein wenig Aufmerksamkeit kann man den Jodbedarf für eine gesunde Schilddrüsenfunktion leicht über die Nahrung decken. Jod ist insbesondere in Seefisch enthalten – 1-2 Portionen pro Woche gehören zu einer gesunden Ernährung. Auch Milch, Leber, Eier und Erdnüsse enthalten viel Jod. Der Jodgehalt von Getreide und Gemüse ist abhängig vom Jodgehalt des Bodens im Anbaugebiet. Eine ausreichende Versorgung ist bei uns mit einer abwechslungsreichen, vollwertigen Ernährung mit Fisch, Eiern und ggf. Milchprodukten (sofern verträglich) in den allermeisten Fällen auch in den seefernen, so genannten Jodmangelgebieten gesichert.

Auch bei Schilddrüsenentzündungen ist die mit der Nahrung aufgenommene Jodmenge nicht bedenklich, allerdings sollte der Verzehr des besonders jodhaltigen Seefischs in diesem Falle nicht übertrieben und auf eine kleine Portion pro Woche beschränkt werden.
 
Verdauungsbeschwerden

Ziehen Sie bitte bei Verdauungsbeschwerden immer eine Schilddrüsenfunktionsstörung in Betracht. Bei immer wiederkehrender Verstopfung sollten Sie Ihren Halsumfang aufmerksam beobachten und messen – eine einfache Methode, Unterfunktionen rechtzeitig zu erkennen. Eine Überfunktion kann man allerdings nicht am Halsumfang erkennen.

In jedem Fall sollten Sie bei Verdauungsproblemen auch immer Ihren Hausarzt um die Untersuchung Ihrer Schilddrüse bitten.


 
Beratung

Gerne biete ich Ihnen eine individuelle Beratung an – auf Wunsch auch telefonisch oder per Zoom oder Skype.
Bitte informieren Sie sich unter dem Menüpunkt »Praxis«.





Bitte lesen Sie hierzu folgende Beiträge:
• Verdauungsbeschwerden durch Gallenfunktionsstörungen
• Verdauungsbeschwerden durch Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse
• Parasiten- und Pilzbesiedelung des Darms

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