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Letzte Aktualisierung: 4.7.2018

Probiotika statt Laktase? und Probiotika-Studie

Nicht erst seit Kurzem machen sich Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln Gedanken, ob und wie neben Laktase-Präparaten auch mit einer gesunden Darmschleimhaut und einer gesunden Darmflora die Laktose-Verwertung optimiert werden kann. Diese Überlegungen haben durchaus ihre Berechtigung – ich möchte sie hier jedoch einmal kritisch und differenziert beleuchten.

Eine gesunde Darmschleimhaut ist der Garant für die Aufrechterhaltung einer größtmöglichen Restproduktion des Laktase-Enzyms im Dünndarm, und eine gesunde Darmflora mit möglichst vielen nützlichen und wenig schädlichen Bakterienarten unterstützt die optimale Funktion der Darmschleimhaut.

Vor allem aber sind bestimmte Bakterienarten aus der Darmflora – die Milchsäure- und die Bifidobazillen – in der Lage, selbst Laktase zu bilden und können so die Spaltung von Milchzucker unterstützen. Darüber hinaus erzeugen sie mit ihrem Stoffwechsel ein saures Milieu im Darm, das die Bedingungen für die nützlichen Bakterien fördert, die für die schädlichen jedoch eher hemmt.

Diese Eigenschaften versuchen sich die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln zunutze zu machen und bieten Präparate mit den verschiedensten Stämmen der Milchsäure- und Bifidobazillen und auch noch vielen anderen Bakterienarten an – teilweise mit zusätzlichen Präbiotika (diese Präparate heißen dann »Synbiotika«). In der Werbung und auf den Beipackzetteln wird angegeben, dass die Bakterien die Bekömmlichkeit von Milchzucker fördern.

Darüber hinaus geben die Hersteller an, die Einnahme solcher Präparate könne unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen, beispielsweise am Morgen, so dass das lästige Mitführen und Einnehmen von Laktase-Präparaten zu den Mahlzeiten entfallen könne.

Es wird damit geworben, dass man nach der Einnahme eines solchen Präparates »Milchzucker auch mit Laktose-Intoleranz wieder ungehemmt genießen« könne – auch ohne die Einnahme von Laktase-Präparaten und vor allem ohne unangenehme Folgen wie Blähungen, Durchfällen und allen weiteren bekannten Beschwerden.

Aus diesem Grunde möchte ich Ihnen hier einige Hintergrundinformationen zu diesem Thema und eine Entscheidungshilfe für oder gegen ein solches Präparat geben. Hierbei nehme ich keinen direkten Bezug zu konkreten Präparaten, halte jedoch einige, grundsätzliche Aspekte für sehr wichtig und erwähnenswert.

Es stimmt: Verschiedene Bakterienarten können die Gesundheit der Darmschleimhaut fördern, und Bakterien der Stämme Lactobacillus und Bifidobacillus stellen mit ihrem Stoffwechsel Laktase her, die unser Verdauungssystem zur Spaltung von Milchzucker nutzen kann. Es ist auch richtig, dass diese Bakterienarten mit ihrem Stoffwechsel ein günstiges, saures Milieu im Stuhl erzeugen, das die Überlebensbedingungen von nützlichen Bakterienarten unterstützt – diese Behauptung ist also korrekt.

Bisher war ich jedoch der Meinung, dass keine noch so gute Darmflora die Laktase-Produktion komplett übernehmen kann – die Präparate können meines Erachtens allenfalls zu einem kleinen Teil Laktose spalten. Somit ist und bleibt aus meiner Sicht das Mittel der Wahl immer eine weiterstgehend laktosefreie Ernährung und im Notfall ein Laktase-Präparat zusätzlich vor der Mahlzeit, wenn sich ein Laktoseverzehr nicht vermeiden lässt. Lesen Sie hierzu bitte auch den Beitrag »Behandlung« der Laktose-Intoleranz.

Immer wieder tauchen auch Präparate auf, die sowohl ein Probiotikum als auch Laktase enthalten (das erste mir bekannte Präparat dieser Art – Dairy Care – habe ich im Jahr 2005 in den USA getestet). Hierbei ist zu bedenken, dass neben der – unstreitbar vorhandenen, wenn aber mit Sicherheit eher geringen – positiven Wirkung der enthaltenen Probiotika die zusätzliche Laktase bei der einmaligen Einnahme im günstigsten Falle eben nur einmal wirken kann, vorausgesetzt, das Präparat wird gleichzeitig mit einer laktosehaltigen Mahlzeit eingenommen. Falls die Einnahme unabhängig von einer solchen Mahlzeit erfolgt, dann kann die Laktase keinerlei Wirkung erzielen – ist also »für die Katz«. Meistens ist darüber hinaus die enthaltene Laktase-Dosis viel zu klein (meistens 1000 – 3000 FCC-Einheiten), um bei einer laktosehaltigen Mahlzeit ausreichend wirken zu können – alles in allem also eine in meinen Augen eher unverständliche Kombination.

Ein weiterer – sehr wichtiger – Gesichtspunkt ist, dass manche Probiotika heftig überdosiert sind oder zumindest in Kapselform mit fester Dosis nicht eingeschlichen werden können. Dies kann bei empfindlichen Verbrauchern zu Problemen führen: Probiotika müssen immer eingeschlichen werden, es muss also mit einer sehr kleinen Dosis begonnen werden, die dann nach und nach gesteigert werden sollte. Wird dieser Grundsatz nicht befolgt, sind Verdauungsbeschwerden wie Blähungen bis hin zu heftigsten Durchfällen möglich. Die Darmflora ist – auch wenn sie nicht die optimale Zusammensetzung hat – ein sehr empfindliches System, und Eingriffe, die auf die bestehende Balance einwirken, müssen so behutsam wie möglich vorgenommen werden.

Grundsätzlich immer ist es zu begrüßen, die Darmflora mit nützlichen Bakterien anzureichern, auch um die Vorteile, die diese in Bezug auf eine Laktose-Intoleranz unbestreitbar bieten, zusätzlich nutzen zu können. Eine gesunde Darmflora fördert nicht nur generell die Gesundheit, sie stärkt das Immunsystem und kann helfen, die Kapazität der Laktase-Restfunktion ein wenig anzuheben.

Ob Sie hier zu einem – anfangs niedrig dosierten, später zu einem höher dosierten – Probiotikum greifen möchten, bleibt Ihnen überlassen. Es ist jedoch durchaus auch möglich – und in meinen Augen wesentlich sinnvoller, die Darmflora mit probiotischen Nahrungsmitteln wie milchsauer eingelegtem Gemüse oder auch Kombucha- oder Brottrunk-Getränken und Ähnlichem anzureichern, die darüber hinaus noch zusätzliche wertvolle Bestandteile wie Milch-, Essig und Glucuronsäure enthalten, die für die nützlichen Mikroorganismen der Darmflora besonders günstig sind.

Wenn Sie ein Probiotikum statt Laktase verwenden möchten, empfehle ich Ihnen, zuerst die Verträglichkeit zu testen, ohne gleich zu Anfang Laktose zu verzehren. Nur so können Sie ermessen, ob eventuell auftretende Beschwerden durch das Präparat allein oder aber durch einen nicht mehr durch das Probiotikum gedeckten Laktose-Überschuss verursacht werden.

Informieren Sie sich auf jeden Fall gründlich, bevor Sie Ihre Entscheidung treffen.

Aber auch bei der Entwicklung der Probiotika wird ein Fortschritt stattfinden – genauso, wie das bei der Entwicklung von Laktase-Präparaten der Fall war. Denn generell ist ja das Ziel sehr zu begrüßen, in einer Gesellschaft, in der der Laktose-Verzehr an der Tagensordnung ist, Mahlzeiten auch mit Laktose-Intoleranz wieder unbeschwert genießen zu können, ohne sich Gedanken machen zu müssen, ob und in welcher Menge die Mahlzeit Milchzucker enthält.
 

Studie zur Ermittlung der Wirksamkeit von Probiotika zur Anhebung der Laktose-Toleranzschwelle
Um herauszufinden, wie wirksam die derzeit auf dem Markt befindlichen Präparate (z.B. Lactoseschild P, Leben's Lactase BC, Dairy Care etc.) sind, habe ich in der Zeit von Juli bis Dezember 2012 eine Studie durchgeführt und die Erfahrungen der Verwender gesammelt.

Bitte lesen Sie hier die Auswertung dieser Studie.

Ganz herzlichen Dank sage ich allen, die sich die Zeit genommen haben, ihre Erfahrungen einzugeben.



Bitte lesen Sie auch folgende Beiträge:
Grundsätzliches über die Darmflora
Pflege der Darmflora
Sanierung der Darmflora
Probiotische Gärgetränke
»Behandlung« der Laktose-Intoleranz

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